Tagesanzeiger

Die nachfolgenden Kolumnen wurden im Tages Anzeiger der Stadt Zürich/Züri Tipp in den Jahren 1981-1986 veröffentlicht.

Wer liest was? André Grab, Buchhändler

Im Klappentext eines kleinen und nützlichen Büchleins erfahre ich, dass es immer häufiger vorkomme, dass Leute durch Türen verletzt werden. Richtig, durch Türen. Da gibt es nämlich Schnapp-, Dreh-, Zieh- und Stosstüren, Zugbrücken, Lifttüren und Luftschleusen, und alle funktionieren auf ihre eigene Art. Da wird man eingeschlossen, eingeklemmt, guillotiniert und gedrehwurmt.

Wie dieser offensichtliche Verfall der menschlichen Fähigkeit, Türen zu öffnen und zu schliessen, nach der nun fast 4000jährigen Kulturgeschichte zwischen Mensch und Tür zu erklären ist, erfahren wir in dem unentbehrlichen Ratgeber des diesbezüglich unbestrittenen Fachmanns Klaus Durchzug. In seinem Werk „Türen öffnen – draussen und drinnen“ (Vlg. Elefanten-Press)erkennt der Autor, dass der Akt des Türöffnens und -schliessens in unserer hochmodernen Technologie zu verarmen drohe. Nachdem er selber im zarten Alter von drei Jahren gegen eine Glastüre lief, stand sein Lebensziel fest: seinen Mitmenschen solche Missgeschicke zu ersparen. So widmete er sein Leben den Türen, bis er vor vier Jahren im Drehkreuz des Basler Hotels „Intercontinental“ durchdrehte.

Doch zurück zu seinem Lebenswerk. Das sorgfältig erstellte Inhaltsregister führt uns Laien von der Grundbegrifflichkeit der Portalistik über ein aktives Lehrprogramm bis hin zur historischen Spekulation, wie die Tür überhaupt aufs Loch kam. Von Tür bis Angel also unentbehrlich.Doch nicht nur Klaus Durchzug soll hier lobende Erwähnung finden – im gleichen Verlag sind noch andere unentbehrliche Ratgeber erschienen, die Anerkennung verdienen. So soll hier auch die Rede sein von Roderich Schusters „Schuhe schnüren für Fussgänger“, in dem der Autor richtig feststellt, dass der Schnürschuh ein wichtiger Bestandteil des Strassenbildes ist und der Senkelriss zu den ernstesten Bedrohungen des fussgängerischen Alltags gehört. Schuster, der gemäss dem Fachorgan „Schuh-Report“ der zweitgrösste Senkologe der Gegenwart ist, muss ebenso zur Elite der Wissenschaft gezählt werden wie etwa der Pionier Hans Dampf mit seinem Fachwerk „Wasserkochen – leicht gemacht“ und Dr. Fritz Immermann mit „Richtig schwören vor Gericht“. Aber auch „Richtig wählen von eins bis null“ von Christian Bundes-Post dürfte bald in keinem Haushalt mehr fehlen.

Doch kommen wir abschliessend zu Tiwi Ard, dem Herausgeber von „Fernsehen – schwarzweiss und in Farbe“. Dieser Ratgeber, der Laien wie aber auch Fortgeschrittenen die Raffinessen des Fernsehens nahezubringen sucht, weist neben Lernprogrammen und Tests auch eine freundliche Grussnote von Dr. tv. hc. Heydie Kabel auf. Lassen wir sie zum Schluss zu Worte kommen: „Mein herzlichster Glückwunsch zu ihrem Mut, dieses Büchlein zu kaufen! Denn – seien Sie ehrlich – brauchte es nicht ein gehöriges Mass von Zivilcourage, dieses Büchlein zu kaufen und sich als „Ahnungsloser“ auszugeben? Doch nehmen Sie zur Stabilisierung Ihrer klammheimlichen Unsicherheit über die Richtigkeit dieses Schrittes zur Kenntnis: Sie sind nicht allein!“


Rund um Mitternacht. Das Bett- die Alternative zum hektischen und kostspieligen Nachtleben

Das Bett: ein gemeingermanisches wort für Lagerstatt und Schlafstelle, beruhend auf der indogermanischen Sprachwurzel graben oder stechen. Ursprünglich war das Bett also eine in die Erde eingegrabene Lagerstatt, eine Grube. Das bewegliche Bett – also unser Bett – ist erst seit dem späteren Mittelalter im Mittelmeerraum bekannt.

Das Bett ist aber nicht nur eine Schlafstelle, eine Grube, in der man dem neuen Tag entgegenschnarcht. Nein, im Bett kann man auch essen, trinken, lesen, allerlei be- und erkleckliche Dinge treiben, rauchen, Musik hören oder sogar Bücher schreiben, wie Mark Twain das gemacht hat. Man geht zu Bett, weil man müde ist, weil man alleine oder aber auch zu zweit sein möchte, weil man den Morelli hat oder weil man friert.

Betten sind also für vieles da, und daher gibt es sie auch in allen Formen und Farben: breit, schmal, quadratisch, herz- und gitarrenförmig, wassergefüllt, hydraulisch, rollend, bespiegelt, baldachiert, ebenerdig, doppelstöckig etc.

Betten sind vielfach im kleinsten Zimmer der Wohnung anzutreffen; meistens in dem Zimmer, das den Gästen verschlossen bleibt. Der intimste Raum der Wohnung.

Gehen wir also zu Bett. Viele Menschen ziehen sich erst aus und dann wieder an. Einige begnügen sich mit dem einfachen nordischen Schlafen, andere bevorzugen Matratzenschoner, Unter- und Oberleintuch, Wolldecke und Duvet. Die einen haben ihr Bett voller niedlicher Stofftiere, andere voll Brotkrümel und Zigarettenasche.

Dass dem Bett eine wichtige Rolle im Leben zukommt, merkt man an der ganzen Infrastruktur: Leselampen, Heizdecken, Schlafmode, Beistell- und Ueberklapptische, eingebaute Stereoanlagen, Wanzenpulver, Vibrationskissen, NAckenrollen, Krümelkragen (wird beim Mitternachtsimbiss um den Hals geklemmt), Traumpillen, Gummimatten, Bücherhalter etc.

Und dann natürlich noch das Nachtischlein, das ominöse. Während es bei unseren Eltern noch als geheimnisvolles Schränkchen mit Nachttopf, hygienischen Artikeln und sonstigem Hilfsmaterial galt, ist es heute so vollgepackt wie ein kleines Wohnzimmer.

Hat man sich also um- oder ausgezogen, wird unter die Decke(n) geschlüpft. Das Kopfkissen aufgepufft, im ungelesenen Bücherstapel gewühlt, ein Schluck aus dem Nachtwasserglas genommen, evt. eins geraucht, noch schnell einen Happen verdrückt, in einem Heftli geblättert, weil die Bücher zu schwer sind …, ja, dann wird gewartet, bis einem so richtig warm um Leib und Seele wird. Dann kann nämlich das Licht gelöscht werden (Halt! Zuerst noch den Wecker stellen!), und das Herumwälzen und Sich-ins-Laken-Hineinaalen kann beginnen. Und  ist die „Grube“ dann so richtig wohlig, so kann man getrost dem neuen Tag entgegenschlummern.

Die nächste Nacht kommt bestimmt.

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