5 Instant-Groschendramas, publiziert in Der Rabe Nr. 7, Haffmans Verlag 1984
Ein Western von Drew Tomb
Der Held, breit in den Schultern, schmal in den Hüften und über sechs Fuss gross, taucht am Horizont auf. Er wird zuerst von den staubigen Stiefeln bis zu seinen stahlgrauen Augen beschrieben. Und dann passiert bereits zum erstenmal etwas. Aber unser Held ist besser. Er ist immer besser. Und seine Hände, die wie zwei Kobras nach seinen tiefhängenden Colts (Buntline Specials) schnappen und Schurken reihenweisefällen, können manchmal sogar eine Frau streicheln (klein, blond, mit offenem Blick, offenem Decolleté und goldenem Herzen). die er aber meistens nicht kriegt, sonst gäbe es keine Fortsetzung mehr und unser Held müsste seine Rolle als einsamer Wolf aufgeben. Neben schiessen und schlagen kann unser Held aber auch saufen, Lasso werfen, spucken und Pferde zureiten. Seine Gegner, meistens klein, gemein und mit finsterem Blick, laufen ihm immer wieder in die Quere, um zu verlieren. Und am Schluss, wenn keiner mehr steht und die kleine Blondine in die arme eines plötzlich aufgetauchten, jahrelang totgeglaubten Farmersohns (arm, aber glücklich) fällt …, ja, dann kann sich unser Held schweigend verabschieden und in die untergehende Sonne davonreiten, um am Horizont nochmals kurz einen Blick über die Schulter zurückzuwerfen. Ende.
Ein Arztroman von André de la Tombe
Der geheimnisvollen Patientin auf Station B geht es schlecht. Befallen von einem rätselhaften Virus, der an ihren Lebens-Nerven zerrt, siecht sie dahin. Von den meisten bereits aufgegeben dämmert sie im abgedunkelten Zimmer vor sich hin, die Lebensflamme scheint am Erlöschen. Doch ein junger Bakteriologe, der sich auf mühsamem und steinigem Weg zu diesem Beruf hochgearbeitet hat, nimmt sich der Patientin an. Er gibt sie nicht auf, nein, er versucht verzwiefelt, das junge Leben zu erhalten und verliebt sich prompt in die schöne, junge Frau. Unter seinen geschickten Händen scheint sie wie aus einem bösen Traum zu erwachen, und zum erstenmal seit langer Zeit lächelt sie wieder. Die Erfolge des Bakteriologen bleiben nicht unbemerkt, sein Lob schallt ihm aus jedem Munde. Doch eine kaltherzige Röntgenschwester mit eisblauen Augen, die ihrerseits in den jungen Bakteriologen verliebt ist, aber auf ihre Gefühle keine Erwiderung findet, macht den beiden einen Strich durdch die Rechnung. Durch vertauschte Röntgenbilder entsteht ein völlig falsches Krankenbild, der Zustand der Patientin verschlechtert sich, und der Bakteriologe wird wegen Fehlbehandlung entlassen. Seine moribunde Geliebte bleibt zurück in den Händen der skrupellosen Röntgenschwester, die, um sich beim Oberarzt einzuschmeicheln, die Röntgenbilder wieder richtig ordnet und es dem Oberarzt durch entsprechende Hinweise und Ratschläge ermöglichst, der Patientin wieder auf die Beine zu helfen.
Der Bakteriologe isst unterdessen nicht untätig gewesen; nach einigen nächtlichen Spitalbesuchen und heimlicher Einsicht in die Krankenblätter kommt er der ganzen Intrige auf die Spur. Er schleicht sich ins Zimmer seiner Geliebten, der es – oh Wunder – bei seinem Anblick gleich nochmals um einiges besser geht, und erzählt ihr behutsam die ganze Geschichte. Da werden sie von der Röntgenschwester und dem Oberarzt bei der nächtlichen Visite ertappt. Hin und her gerissen zwischen der eben entflammten Liebe zur Röntgenschwester und seinem Berufsethos, bleibt der Oberarzt unschlüssig. Doch seine Ehre siegt, mit gebrochener Stimme ruft er die Polizei, die alsbald eintrifft und die Röntgenschwester verhaften will. Doch diese hat sich im ehemaligen Labor des Bakteriologen eingeschlossen und droht, sämtliche Viruskolonien freizulassen, und verlangt freien und unbehinderten Abzug. Die Drohung wird ernst genommen, und sie flieht mit einer der Viruskolonien ins Zimmer der Patientin. Dort kommt es zu einem Handgemenge zwischen ihr und dem Bakteriologen.Sie unterliegt, doch der Virusbehälter zerschellt am Boden. Entsetzen breitet sich aus. Der Bakteriologe taumelt mit seiner Geliebten in den Armen zur Türe hinaus. Zurück bleibt die Röntgenschwester, konvulsivisch am Boden zuckend.
Angstvoll beugt sich der Bakteriologe im Flur über seine Geliebte, fürchtend, dass er sie jetzt definitiv verlieren werde. Doch, oh Wunder, die Viren, die für die Röntgenschwester tödlich waren, haben die Krankheit der jungen Frau restlos geheilt. Glücklich blickt sie zu ihrem Retter auf, und allmählich kehrt gesunde, frische Farbe in ihr Gesicht zurück.
Kurze Zeit später kann sie das Krankenhaus verlassen. Es stellt sich heraus, dass sie die Tochter eines reichen und berühmten Forschers ist, der, überglücklich über die Rettung seiner Tochter, seinem zukünftigen Schwiegersohn eine eigene Klinik einrichtet, wo dieser sich nun Zeit seines Lebens der nützlichen Forschung zur Erhaltung menschlichen Lebens einsetzen kann.
Ein Heimatroman von Andreas Graberl
Der junge mann mit den wirren blonden Haaren, die jedem Kamm zu trotzen scheinen, stapft weitausholend mit seinen kräftigen Schuhen dem Dorf zu. Er, der arme, aber ehrliche Försterssohn, aus dessen offenem Blick das Herz spricht, ist verliebt. Verliebt in die Tochter des reichen Bauern, des Grossgrundbesitzers, dem das halbe Dorf gehört. Die Liebe des jungen Forsterssohnes wird erwidert, doch jäh bricht das Unglück herein: ihr Vater stellt sich dem jungen, aufkeimenden Glück in den Weg. Er versucht, den armen kranken Förster aus seiner Waldheimat zu vertreiben. Er will, dass seine Tochter den Sohn des Kneipenbesitzers heiratet, so könnte er seinen Besitz verdoppeln. Das junge Paar trifft sich aber weiterhin heimlich, und es ist von Flucht die Rede. Doch wie sie am Dorfrand stehen, den Sonnenuntergang betrachten, den Kirchglocken lauschen und sogar ein Reh sein Näschen aus dem Dickicht streckt, just in diesem Moment ereilt sie die grosse Verzweiflung. Der junge Mann will und kann seinen Vater, den Förster, nicht verlassen. Dem alten Mann würde das Herze brechen, es würde ihn vollends ins Grb werfen. Und so kehren beide zurück. Sie will sich umbringen und landet in einem Sanatorium in der grossen Stadt, der Försterssohn wird schwermütig und dem alten Förster geht es auch zunehmend schlechter. Als schliesslich der Försterssohn seine Angebetete im anonymen Sanatorium besucht, kommt just sein Nebenbuhlerm der Sohn des Kneipenwirts daher, und schon gibt’s Streit am Krankenbett. Der Angebeteten geht’s darob gleich nochmal so schlecht. Doch da mischt sich die Frau des Grossgrundbesitzers ein. Die grosse und schwere Krankheit der Tochter weckt in ihr ein Fünkchen Menschlichkeit. Sie arrangiert heimlich ein Treffen zwischen ihrer Tochter und dem Försterssohn, und glücklich sinken sich die beiden in die Arme. Doch da fällt im Sanatorium ein Schuss. Der Nebenbuhler hat Wind von der Sache bekommen, kurzentschlossen seine Jagdflinte gepackt, ist ins Krankenzimmer eingedrungen. Doch die Mutter hat sich dazwischengeworfen, und so hat sein Schuss die Mutter getötet. Der Untäter flieht in seinem Porsche und kommt auf der nächtlichen Strasse ums Leben.
Der Grossgrundbesitzer, dem so viel Leid Herz und Augen geöffnet, gibt endlich seinen Segen. Und ein ordentliches Stück Land als Mitgift. Der alte Förster kann jetzt genesen, das junge Glück findet seinen Frieden, der Grossgrundbesitzer wird zum Menschen, und die Dielen knarren, die Tannzapfen duften, und der Wildbach rauscht sein munteres Lied.
Ein Krimi von Andy Grave
Er, muskulös und ein bisschen abgerissen, trifft am Busbahnhof ein. Er deponiert den schäbigen Koffer, der, wie sich später herausstellt, mit tausenden von Dollars gefüllt ist, in einem Schliessfach. Dann geht er zum Frisör. Dort erfährt man aus seinem Gespräch mit dem schwatzhaften Figaro, dass er eigentlich in der ganzen Stadt unerwünscht ist. Macht nix. Er betritt die Stadt als König mit einem Koffer voll Geld. Und dann geht’s los: Er wird verprügelt und prügelt zurück, trifft einen alten Freund wieder, der ihm hilft, dann aber umgelegt wird. An Stelle dieses Freundes tritt die Inhaberin einer Mannequin-Schule; sie heisst Juno und hat eine göttliche Ausstrahlung. Doch aus irgendwelchen Gründen geht er bei Juno nicht ran, ein Rätsel. Also vernascht er eines der gutgebauten Mannequins, welches aber im Laufe einer heissen Nacht erschossen wird. Grund genug für ihn, jetzt endgültig rot zu sehen. Er legt sich mit allen und allem an, klackt Dollar-Münzen auf Theken, schüttelt Luckys aus zerknüllten Päckchen, lässt Feuerzeuge schnippen, und noch im Bett reisst er unter dem Kopfkissen einen Revolver hervor. Wenn er jemanden niederschlägt, was er am liebsten in dreckigen Pissoirs macht, dann hört man das Schmatzen zermanschter Gesichterm und in seinen Fingerknöcheln bleiben Zahnsplitter stecken. Die Weiber sind verrückt nach ihm und ziehen sich laufend aus.
Und am Schluss ist der bestialische Mörder niemand anders als die göttliche Juno. Als er sich schweren Herzens anschickt, Juno mittels Bauchschuss zu exekutieren, zieht Juno sich aus. Und jetzt weiss er, warum sich immer etwas in ihm gegen Juno gesträubt hat. Juno ist ein Transvestit.
Dann fällt der entscheidende Schuss.
Ein SF-Roman von Andrej Grabulow
Die Welt geht unter. Einfach so. Misswirtschaft, Bomben, Seuchen radieren die Zivilisation aus. Eine Handvoll Wissenschaftler zieht sich mit ihren schönen Frauen in die Berge zurück und baut Ueberlebensschiffe. Ueberlebensschiffe, deren Aufgabe es ist, den Samen der menschlichen Rasse ins weite Universum zu tragen. Während die Welt dahinsiecht, wird fleissig gebaut und schliesslich die Elite der Menschheit mit ihren schönen Frauen ausgesucht, um die Weite der Galaxis zu erobern. Die Männer, alles kluge Wissenschaftler, und keiner über dreissig; die Frauen, alle schön, und keine über fünfundzwanzig. Und dann geht’s los. Sie starten, lassen Freunde und Familien zurück.
Ein Ueberlebensschiff überlebt. Doch es findet keine bewohnbare Galaxis, die Menschen sind zum ewigen Leben im kleinen Raumschiff verdammt. Es kommen Kinder zur Welt, die Gesunden dürfen überleben, andere werden gleich nach der Geburt eliminiert; sie wachsen heran, lösen ihre Väter und Mütter ab, die älter und älter werden und schliesslich sterben. Die zweite Garnitur übernimmt das Erbe der Eltern, und so zieht das Sternenschiff tausende von Jahren durchs All. Mythen entwickeln sich, Theorien über die Erde und die „Alten“ werden esponnen und weiterentwickelt, die Insassen des Raumschiffs werden immer perfekter. Geringfügige Mutationen wie ESP, PSY etc. treten auf, und als das Schiff nach rund 100000 Jahren endlich einen bewohnbaren Planeten findet, ist die Erde schon lange tot, und ihre Abgesandten machen sich daran, auf Grund der alten Mythen eine neue Welt zu gründen. Die milde Brise dieser Welt, die den Sternenreisenden so fremd und doch so vertraut ist, trägt Worte des Staunens, der Freude und der Angst über die neu gefundene Erde hin. Der menschliche Samen hat überlebt.
THE END